Wenn eine Mittelmeerinsel für sich in Anspruch nehmen könnte, den Rang einer Hauptstadt zu haben, dann Sizilien. Nicht nur weil es die größte Insel ist: Phönizier, Römer, Sarazenen, mittelalterliche deutsche Kaiser, Habsburger, Spanier, und sogar die Wikinger – alle haben hier Spuren hinterlassen. An einige Eroberer erinnert bis heute ihre Kultur, andere bauten mächtige Festungen, wieder andere sind durch Kochrezepte, denen bis heute wahrhaft gehuldigt wird, im Gedächtnis geblieben. Das jährliche Couscous-Fest in San Vito lo Capo ist ein Beispiel dafür.
Und wer glaubt, blauäugige Sizilianer tragen Kontaktlinsen, der irrt: Es handelt sich um die Gene der normannischen Eroberer, die sich vom 11. Jahrhundert bis heute in diesen Familien gehalten haben. Sizilien, im Schatten des Vulkans Ätna, erfüllt alle Klischees. Es gibt antike Tempel, prachtvolle und verfallene Palazzi, rasende Polizeikolonnen, mächtige Kirchen, eine atemberaubende Natur, verschlafene Dörfer, pulsierende Städte.
Davon abgesehen, dass das organisierte Verbrechen nicht nur auf Sizilien existiert, ist es natürlich gerade hier keine literarische Erfindung. Die stellt gleichwohl der "Commissario Montalbano" des Sizilianers Andrea Camilleri (Jahrgang 1927) dar. Camilleri, ein Grande Signore der modernen Krimiliteratur, weiß, wovon er schreibt: Wer einmal seinen Montalbano gelesen hat, wird vermutlich nie wieder einen Krimi aus Venedig lesen, der Willens seines Autors nicht einmal ins Italienische übersetzt werden darf. Montalbanos Sizilien ist idealisiert, aber dennoch authentisch und zeigt auf seine Art genau, wie die Insel tickt
Antonio Pisano, Basisleiter des Argonauta Diving Center in San Vito lo Capo, ist selbst Sizilianer. Er sagt: „Wir lieben Camilleri, weil wir uns in seinen Büchern wiedererkennen. Jeder kennt jemanden, der so ist, wie die Personen aus einem Buch.“ Neben unserem Tauchreiseführer kann es kaum eine bessere Urlaubslektüre zwischen den Tauchgängen geben.
Anreise
Per Fähre z. B. von Genua, Civitavecchia, Neapel, Salerno oder Cagliari.
Fährgesellschaften: z. B. Tirrenia (www.tirrenia.it), Grande Navi Veloci (www.gnv.it), SNAV (www.snav.it), Liberty Lines (www.libertylines.it), TTTLines (www.tttlines.it) oder Grimaldi Lines (www.grimaldi-lines.com/it).
Mit dem Flugzeug nach Palermo, Trapani oder Catania: z. B. TuiFly (www.tuifly.com) oder Ryan Air (www.ryanair.com).
Tauchen
Sizilien verspricht als größte Mittelmeerinsel abwechslungsreiche Ferien an Land und besonders viele Möglichkeiten für Taucher. Eine Ausnahme bildet die Südküste. Dort liegen zwar viele schöne Badestrände, aber wenig Tauchreviere.
An den Küsten herrschen bis in den Spätsommer angenehme Badetemperaturen, aber ab einer gewissen Tiefe bleibt es ganzjährig frisch. Ein 5-mm-Anzug ist nicht empfehlenswert. Schöne Tauchgebiete, in denen Teile des Films "Im Rausch der Tiefe" gedreht wurden, liegen bei Taormina im Norden der Ostküste. Unter den rund zwölf Plätzen gibt es solche mit Grotten, Riffen und einen Spot mit Resten eines Römerschiffs. Im Südosten zwischen dem Golf von Augusta und dem Golf von Noto bei Siracusa gibt es etwa 15 Spots. Östlich von Palermo liegt Porticello mit Tauchspots in einem Schutzgebiet. Sehr abwechslungsreich zeigt sich der Nordwesten bei San Vito lo Capo:
Insgesamt finden sich circa 40 verschiedene Tauchplätze: Steilwände, Riffe, Höhlen und Wracks, Plätze für Anfänger und auch für sehr erfahrene Taucher. Vor Sizilien werden die Spots meist mit schnellen Tauchbooten angesteuert. Landtauchgänge sind die Ausnahme. Wie überall sollte man einen Tauchcomputer benutzen.
Die besten Tauchreviere auf Sizilien
San Vito lo Capo
San Vito lo Capo ist ein kleiner, weitgehend unbekannter Fischerort im Schatten des großen Kaps. Taucher sollten sich den Namen dennoch merken: Die Spots in der Nähe sind an Abwechslung kaum zu überbieten. Insgesamt sind es über 40, darunter Steilwände, Riffe, einfache und anspruchsvolle Höhlen sowie drei Wracks. Von den sechs Höhlen (die Grotta Ficarella mit ihrer Süßwasserquelle, die Grotta dell’Arco, Perciata, Grotta delle Colonne, del Camino und die Grotta dei Gamberi) ist die Grotta Ficarella vermutlich die interessanteste. Sie führt 50 Meter in den Fels hinein und ihr breiter Eingang liegt auf 18 Metern Tiefe. Hinten öffnet sich eine Kammer im hellen Felsgestein. Das eindringende Süßwasser bildet hier eine Sprungschicht, die ständig flimmert. Nicht weniger faszinierend sind die Tropfsteinformationen der Grotta delle Colonne ("Höhle der Säulen").
Die drei Wracks im Einzugsbereich von San Vito heißen "Kent", "Capua" und "Pavlov V". Die rund 80 Meter lange "Kent" steht aufrecht in 48 Meter Tiefe. Als sie 1978 unterging, hatte sie eine Ladung Bücher an Bord: Ausgaben des Koran. So ist das gut erhaltene Schiff auch als "Koran-Wrack" bekannt. Nicht all zu weit entfernt steht die "Capua" seit dem 2. Weltkrieg auf 35 Meter tiefem Sandgrund. Mit 45 Meter ist sie kleiner als die "Kent" und auch für wenig geübte Wracktaucher interessant. Noch immer entdeckt man Munition, die beim Untergang an Bord war. Vor allem aber wurde sie zu einem künstlichen Riff und neuen Zuhause für eine Vielzahl festsitzender Organismen ebenso wie für bodennah lebende Fische und Zackenbarsche. Darüber schweben oft Barrakudas und machen den Platz vollends zu einem der Topspots.
Wrack "Pavlov V"
Lage: ungefähr 1,5 Kilometer vor Trapani
Tiefe: 14 bis 35 Meter
Strömung: schwach bis stark
Schwierigkeit: bei geringer Strömung auch für Taucher mit wenig Erfahrung
Das Wrack der "Pavlov V" ist das größte in der Nähe von San Vito. Der rund 180 Meter lange Tanker sank am 11. Januar 1978 und steht heute aufrecht auf dem Meeresgrund. Brücke und Oberdeck liegen nur etwa 15 bis 20 Meter tief. Ursache für den Untergang war, wie man aufgrund einer SOS-Meldung weiß, eine Explosion im Maschinenraum, die zwei Maschinisten das Leben kostete. Dieser Teil ist völlig zerstört. Brücke und Frontpartie sind mit großen Kissen Gelber Krustenanemonen überwuchert – wunderbare Fotomotive für Unterwasserfotografen. An den Seiten der "Pavlov V" haben sich Schwämme und Rote Gorgonien festgesetzt, die Tierwelt wird vertreten von einigen Zackenbarschen, Muränen und den typischen Wrackbewohnern, den Meeraalen. Die Zahl der Mönchsfische geht sicher in die Tausende. Mit Glück kann man Bernsteinmakrelen beobachten oder sieht, wie ein Schwarm Barrakudas seine Kreise über dem Wrack dreht.