Das Rote Meer am Ende der Eiszeit
Machen wir eine Zeitreise. Wir befinden uns am Ende des pleistozäen Eiszeitalters, ca. 12 000 Jahre in der Vergangenheit. Ein kühler Wind weht. Wir schauen in eine 1800 m tiefe Schlucht, an deren Boden weißes Salz in der Sonne glitzert. In den noch nicht verdunsteten Wasserresten mit ihrem extremen Salzgehalt hat das Leben kaum noch eine Chance. Die Bedingungen gleichen dem des Toten Meeres im heutigen Israel. Die unglaublichen Wassermassen, die die Schlucht vor 150 000 Jahren noch füllten, sind einfach verschwunden, die komplette Flora und Fauna des Roten Meeres ausgerottet.
Der zweite Frühling des Roten Meers begann nach der Eiszeit
Wie war das möglich? Die Ursache lag Tausende von Kilometern entfernt im Norden unseres Planeten. In der letzten Eiszeit wuchsen die Gletscher der Pole zu mächtigen Wasserspeichern, die fast ganz Nordeuropa unter sich begruben. Der Meeresspiegel sank weltweit um über 100 m. Das Rote Meer verlor seine Verbindung zum Indischen Ozean und trocknete aus. Am Ende der Eiszeit vor 11 500 Jahren stiegen die Temperaturen wieder an. Eine neue Wärmeperiode, die bis heute anhält, begann. Die Gletscher schmolzen, der Meeresspiegel stieg. Das Wasser des Indischen Ozeans überflutete die Meerenge Bab al Mandab und strömte in den ausgetrockneten tiefen Graben zwischen dem heutigen Ägypten, Sudan, Dschibuti und Eritrea auf der einen und dem Jemen, Saudi-Arabien, Jordanien und Israel auf der anderen Seite. Für alle, die es erlebt haben, muss es ähnlich wie die in der Bibel beschriebene Sinnflut gewesen sein. Doch noch immer liegt der Meeresspiegel ca. 10m unter dem damaligen Höchststand.
Das Rote Meer als Heizung
„Geboren“ wurde das Rote Meer vor 40 Millionen Jahren, als sich die asiatische Erdplatte von der afrikanischen trennte und sich ein Graben bildete. Seit dieser Zeit driften diese Platten pro Jahr mit einer Geschwindigkeit von 0,8 cm im Norden und 1,5 cm im Süden auseinander. In vielen Millionen Jahren wird das kleine Rote Meer ein ganz großer Ozean mit völlig anderen Lebensbedingungen sein.
Bis dahin bleibt das Rote Meer eines der nördlichsten tropischen Korallenriffe der Welt, denn es besitzt eine eingebaute „Heizung“: In der Tiefe tritt heiße Magma aus und erwärmt das Tiefseewasser. In Tiefen von 300 m und mehr beträgt die Wassertemperatur ca. 20 Grad plus, 15 Grad wärmer als im Indischen Ozean. Wenn am nördlichen Roten Meer die Temperaturen im Winterhalbjahr auf 10 Grad und darunter fallen, gleicht das der gigantische Wärmespeicher des 1800m tiefen Meeresbecken aus.
Wie bekam das Rote Meer seinen Namen?
Wie stark das Leben im Roten Meer von den geologischen und geografischen Rahmenbedingungen geprägt wird, zeigt auch folgende weltweit einzigartige Besonderheit: Mitten in einer Wüstenregion gelegen, mündet kein einziger Süßwasserfluss ins Rote Meer. Regen fällt so gut wie kaum. Dieser Mangel an Schwebstoffen ist der Grund für die legendären Sichtweiten von bis zu 50 m und mehr. Für Taucher und Schnorchler könnten die Bedingungen nicht besser sein. Die Kehrseite: Die Biomasse und damit das Nahrungsangebot ist extrem gering.
Der Ursprung des Namens „Rotes Meer“ ist bis heute nicht geklärt. Liegt es an der Blaualge Trichodesmium erythraeum, die bei massenhafter Vermehrung in der Lage ist, Meeresgebiete rötlich zu färben? Waren es die Wüstenberge im rötlichen Abendlicht, oder liegt eine falsche Übersetzung aus dem Altgriechischen vor? Was auch immer diesem Gewässer den Namen „Rotes Meer“ verlieh – die Kartografen des Mittelalters zeichneten es rot.